Mit der Natur, statt von der Natur: Zu Besuch auf der Selbstversorgerfarm

Eine bunte Vorratskammer mit Obst und Gemüse aus eigenem Anbau, Wolle der eigenen Schafherde, Fleisch von den eigenen Tieren –  was Miriam und Christian Nathem mit ihren drei Kids zum Leben brauchen, holen sie sich aus ihrem eigenen Garten. Obwohl „Garten“ eine Untertreibung für ihr großes Grundstück mit Permakulturgarten und Streichelzoo ist. Als Hinterland-Hosts teilen sie dieses wunderschöne Fleckchen Erde in der Südeifel und ihren Hofalltag seit über zwei Jahren mit Gästen. Wir haben mit ihnen über das Leben als Selbstversorger gesprochen und warum man bei ihnen im Camp so gut zur Ruhe kommt.

Euer Hinterland-Camp hier in der Südeifel ist wirklich etwas ganz Besonderes. Wie seid ihr zu dem tollen Grundstück und dem Hof gekommen? 

Miriam: Das Haus in dem wir wohnen ist Christians Elternhaus. Dazu gehörte eine kleine Fläche im Hang mit Zwetschgen- und Apfelbäumen. Zum Beweiden hielt Christians Opa hier schon vor vielen Jahren Schafe. Nach dem Studium sind wir in die Kellerwohnung eingezogen. Zuerst hatten wir nur eine Katze und Kaninchen. Der Zufall wollte wohl, dass wir uns auf einem Viehmarkt in zwei Ziegenkinder verlieben. Lisbeth und Mariechen. Zur Hochzeit bekamen wir Hühner geschenkt und als unsere Töchter sich als ebenso große Pferdeliebhaber wie wir entpuppten, zogen unsere beiden Shettys Zazou und Mücke ein. 

Christian: Mit all den Tieren stieg natürlich der Platzbedarf. Der Landwirt, dem die angrenzenden Flächen gehörten, kam uns freundlicherweise sehr entgegen und wir durften die Weiden abkaufen. Mit der Geburt unseres Sohnes und der Anschaffung einer kleinen Zwergrinderherde war natürlich klar, dass auf einer Minifarm auch ein richtiger alter Trecker nicht fehlen darf und dieser wiederum einen Unterstand braucht. Also bauten wir noch einen Schuppen und nahmen noch mehr Fläche dazu. Den Wunsch nach einem größeren Garten zur Selbstversorgung mit Gemüse hatten wir schon länger – im ersten Corona-Lockdown legten wir dann unseren Mandalagarten an. Zum Schluss fanden wir die Kirsche auf dem Sahnehäubchen in unserer Retriever-Hündin Juna. Inzwischen sind wir Landwirte im Nebenerwerb und scherzen mit den Nachbarn, dass wohl eines Tages doch noch ein Elefant einziehen wird.

Was hat euch dazu inspiriert, einen, wie ihr es nennt, „Naturerlebnishof“ aus eurem Grundstück zu machen und euer Leben hier mit Gästen zu teilen?

Christian: Die Idee Naturerlebnishof entstand zusammen mit dem Garten während des Lockdowns. Wir empfanden die Natur um uns herum, das Zusammenleben mit den Tieren und die Möglichkeiten, die unsere Flächen bieten, als so angenehm und befreiend, dass wir diesen wunderbaren Ort mit seiner einmaligen, idyllischen Lage im Tal am Ortsrand gerne mit anderen Menschen teilen wollten.

… damit habt ihr auf jeden Fall schon viele Hinterland-Gäste glücklich gemacht, die bei euch mit dem Zelt oder Camper stehen durften! 

Miriam: Für uns ist es auch immer wieder schön zu sehen, wie die meisten Gäste nach der Ankunft hier aussteigen, tief durchatmen und staunen, wie schön es ist. So oft schon haben wir gehört, an welch besonderem Ort wir leben dürfen und genau so empfinden wir es ja selbst auch. Man vergisst im Nu alle Sorgen, wenn man durch den Garten, die Wiesen oder den Wald streift, am Waldrand sitzt und die Aussicht genießt oder die Tiere krault oder auch nur beobachtet. Viele Besucher haben unseren Hof schon als heilsamen Ort bezeichnet. Und auch uns geht es so. Hier kommt man automatisch zur Ruhe.

Was schätzt ihr besonders daran, Gastgebende bei Hinterland zu sein? 

Es gibt das schöne Sprichwort: „Glück verdoppelt sich, wenn man es teilt“. Das trifft die Situation hier ganz gut. Wir lassen gerne Menschen an unserem Leben auf dem Land teilhaben und zeigen, dass man auf einfachste Weise ohne Schnickschnack und Brimborium sehr zufrieden sein kann. 

Außerdem macht es uns großen Spaß, neue Menschen kennenzulernen. Die meisten Camper, die den Weg zu uns finden, suchen ja bewusst die Ruhe und die Verbindung zur Natur und sind so gleich- oder zumindest ähnlich gesinnt. Da kommt man schnell in einen schönen Austausch. Und unsere Kids freuen sich immer, wenn gleichaltrige Spielkameraden dabei sind. So sind schon richtige Freundschaften entstanden und wir haben mit einigen Besuchern schon das eine oder andere Bierchen am Lagerfeuer genossen.

Neben den entspannenden Momenten, die ihr und Hinterland-Gäste hier erlebt, kann ich mir vorstellen, dass so ein Selbstversorgerleben viel Arbeit mit sich bringt, oder? 

Miriam: Definitiv. Man sollte sich klarmachen: Sich selbst mit Gemüse und Fleisch, Eiern, Holz, Wolle etc. zu versorgen, teilweise oder ganzjährig, erfordert sowohl Fleiß als auch Interesse an vielen verschiedenen Dingen. Und auch handwerkliche Fähigkeiten. Aber wir sehen die Arbeit nicht wirklich als Arbeit, sondern haben Freude am Tun und am Erlernen neuer Fertigkeiten. So macht es uns auch nichts aus, bis spät am Abend Erbsen zu pellen, Gemüse einzukochen, mit Stirnlampe und auf allen Vieren auf Schneckenjagd zu gehen oder Sonntagabend das ausgebüxte Rind einzufangen. Man bekommt einen ganz anderen Bezug zu vielen Dingen. Man erkennt plötzlich deren Wert, wird demütig und stellt auch fest, dass man auf Vieles verzichten kann. 

Wenn ich drei Learnings nennen müsste, wären es wohl diese: 

1. Einfach machen! Hände in die Erde stecken und los gehts.

2. Offen sein für alles, was kommt. Vertrauen in die Natur und auch sehr viel Geduld haben. Die meisten Probleme entpuppen sich bei genauem Hinsehen als doch kein Problem oder lösen sich irgendwann ganz von allein. Das ist eine ganz wunderbare Übung für das Leben allgemein. 

3. Eigene Erfahrungen im eigenen Garten und mit eigenen Tieren sammeln. Andere Menschen können viel erzählen, aber jeder Garten und jedes Tier ist anders und will auf seine ganz eigene Weise bewirtschaftet und gehalten werden. Es gibt keine Anleitung, man darf experimentierfreudig sein und bleiben.

Wie sieht ein typischer Tag auf dem Hof für euch aus?

Miriam: Da Christian beruflich viel unterwegs ist, bin in der Woche hauptsächlich ich für die Versorgung der Tiere und Pflanzen zuständig. Wenn alle aus dem Haus sind, drehe ich mit Juna eine große Hunderunde durch die umliegenden Wiesen und den Wald. Der Rückweg führt meist über unser Gelände, sodass ich alle Tiere füttern und mit frischem Wasser versorgen kann und gleich auch kontrolliere, ob es allen gut geht. Danach führt mein Weg meist in den Garten, gerade jetzt im Sommer steht viel Arbeit an, da alle Jungpflanzen in die Beete umziehen dürfen. 

Im Winter, wenn der Garten weniger Aufmerksamkeit fordert, tüftele ich an neuen Ideen für unseren Hof und deren Umsetzung. Nach der Arbeit zieht es Christian auch nach draußen und wir setzen gemeinsam Projekte um oder greifen uns bei verschiedenen Arbeiten gegenseitig unter die Arme greifen. Und auch unsere drei Kinder packen nach der Schule gerne mit an, jeder hat so seine Aufgabenbereiche und Spezialgebiete. Am schönsten ist es allerdings am Wochenende, wenn wir alle zusammen draußen herumwuseln.

Was sind eure absoluten Lieblingsgemüsesorten – vielleicht auch besondere – die ihr auf dem Hof anbaut?

Miriam: Jeder hier hat so seine Lieblinge! Auf eigene Tomaten könnte ich selbst nur schwer verzichten, die eine Tochter findet man im Kirschbaum, die andere im Erdbeerbeet, der Sohnemann nascht am liebsten frische Erbsen, Christian kann sich nicht entscheiden und isst alles gerne :D Der Hund liebt knackige Möhrchen, die Ziegen und Schafe stehen mehr auf Fallobst. Wir achten allgemein darauf, alte Sorten weiterzuzüchten und so zu erhalten.

Was motiviert euch am meisten, jeden Tag aufzustehen und den Hof und Garten zu betreiben?

Miriam: Die Freude am Tun. Körperliche Arbeit und Handarbeit haben mir schon immer Spaß gemacht. Belohnt werden wir mit aromatischem, frischem Biogemüse. Der Gedanke an die bunte, volle Vorratskammer, in der uns beim Betreten im Winter der Sommer im Glas entgegenlacht, treibt mich zusätzlich an. Nicht zuletzt die Liebe zu all unseren Tieren, um die ich mich kümmern darf. Nach einer Kindheit ohne Tiere gibt es für mich nichts Schöneres, als bei den Pferden im Heu zu sitzen und ihrem gemütlichen Kauen zu lauschen. Oder zu fühlen, wie die Ziegen ganz zart das Futter aus der Hand nehmen. Oder mit unserer Hündin um die Wette zu laufen. Oder den Hühnern zuzusehen, wie sie meditativ und leise gurrend zufrieden auf der Wiese picken. Wir sind sehr froh und dankbar, dass unsere drei „Kleinen“ so aufwachsen dürfen.

Christian: Natürlich läuft hier auch nicht immer alles so traumhaft. Tiere sind auch mal krank oder sterben. Die mühsam selbst gezogenen Jungpflanzen werden in nur einer Nacht komplett von Schnecken zerstört. Sowas zieht uns dann auch runter. Aber unterm Strich weiß man morgens schon, dass man abends viel geschafft haben wird und zufrieden ins Bett plumpst. Also wenn das nicht motivierend ist?!

Viele Menschen beneiden euch sicher für eure Lebensweise und sehnen sich nach einer ähnlichen Verbindung zur Natur im Alltag. Glaubt ihr, dass das Leben auf dem Land und als Selbstversorger in Zukunft (wieder) populärer wird?

Christian: Durch die Digitalisierung und die zunehmenden Möglichkeiten im Homeoffice zu arbeiten, wird das Leben auf dem Land sicher für viele Menschen wieder attraktiver. Selbstversorgung ist eine tolle Sache und im kleinen Rahmen recht einfach umsetzbar. Wir würden uns sehr wünschen, in den kommenden Jahren mehr Menschen dafür begeistern zu können. Die komplette Selbstversorgung mit Gemüse und Fleisch übers ganze Jahr erfordert aber eben Fleiß und Durchhaltevermögen und ist ein Vollzeitjob. Die Bereitschaft Opfer zu bringen, wie zum Beispiel auf lange Urlaube mehrmals im Jahr zu verzichten, und Einsatz zu zeigen, fehlt in unseren Augen leider aktuell der Gesellschaft. 

Miriam: Unsere Traumvorstellung ist tatsächlich, dass - wie früher einmal – jede Familie wieder soviel Fläche ums Haus hätte, um eigenes Gemüse anzubauen und Tiere für Milch- und Fleischprodukte halten zu können. Und dass man eben diese selbstgemachten Produkte auch als Tauschmittel zum Beispiel für handwerkliche Arbeiten nutzen könnte. Zugegeben eine sehr altbackene und romantische Fantasie, die niemals realisiert werden wird. Aber viele Menschen wären mit Sicherheit um einiges zufriedener, als sie es heute sind.

Was habt ihr für die Zukunft noch geplant auf dem Hof?

Miriam: Der Ausbau unseres aktuell gar nicht so hübschen blauen Containers zum Tinyhouse steht auf der To-Do-Liste ganz oben! Die Kooperation mit einer Schule für beeinträchtigte Kinder läuft aktuell an – dabei besuchen uns ein bis zwei Schulklassen wöchentlich, wir gärtnern zusammen, lernen viel über den Umgang mit Tieren und kommen in der Natur gemeinsam in die Beobachtung und zur Ruhe. Auf dem Plan steht auf jeden Fall auch, den kleinen Rundwanderweg um unser komplettes Gelände fertig zu stellen, der teilweise durch die Schaf- und die Ziegenweide, an schönen Aussichtspunkten und kleinen Picknickplätzen vorbeiführt und mit Slackline, Schaukeln und Erdrutsche im Wald für junge und jung gebliebene Menschen jede Menge Spaß bietet. Ein Erdkeller zur optimalen Lagerung von Gemüse und Obst im Winter und ein Lehmbackofen, um endlich das perfekte eigene Brot zu backen sind kleine Träume, die vielleicht irgendwann auch mal in Erfüllung gehen werden. Uns gehen auf jeden Fall die Ideen so schnell nicht aus.

Mehr Infos zum Selbstversorger- und Naturerlebnishof findet ihr auf Instagram. 

Fotos: privat, Melanie Keller