Ein Gaucho in Mecklenburg-Vorpommern
11. Sept. 2023von Lesley-Ann Jahn
Ausritte im Western Stil, folkloristische Gitarren-Musik und Asado-BBQs: Hinterland-Gastgeber Amancio bringt argentinischen Lebensstil in die mecklenburgische Pampa.
Umgeben von weiten Wiesen, Feldern und Wäldern inmitten des mecklenburgischen Flachlands liegt ganz versteckt ein kleiner, ziemlich einzigartiger Ort, der argentinisches Lebensgefühl nach Wardow im Landkreis Rostock bringt. Inspiriert von den Estancias seiner Heimat, hat Hinterland-Gastgeber Amancio hier mit viel Liebe zum Detail eine Outdoor-Oase aufgebaut. Wir haben mit ihm über seine Herkunft, das Landleben in Deutschland und was man alles auf seiner Ranch erleben (und probieren) kann, gesprochen.
Der Weg von Argentinien nach Mecklenburg-Vorpommern ist ziemlich lang – wie und wann hat es dich von Südamerika in die deutsche Pampa verschlagen?
Im Jahr 2012 bin ich der Liebe wegen nach Deutschland gekommen. Meine erste Station war Hamburg, aber schon damals hegte ich den Traum, ein eigenes Projekt auf dem Land zu realisieren. 2018 begann ich gemeinsam mit einem Feriengut in Mecklenburg erste Ausritte mit argentinischen Pferden zu organisieren. Während einem dieser Ausritte habe ich den kleinen Hof hier entdeckt und dachte mir, dass das ein wirklich fantastischer Ort für mich wäre: umgeben von sattem Grün, relativ weit weg von der nächsten Hauptstraße – einfach perfekt.
Zwei Jahre später habe ich den Hofbesitzer einfach spontan gefragt, ob ich den Hof kaufen könnte – und zu meiner Überraschung sagte er ja. Im September des letzten Jahres habe ich das Grundstück und Gebäude dann übernommen, angefangen, alles zu renovieren, und die ersten Pferde hierher gebracht. Seitdem lebe ich selbst auf der Ranch und habe das Angebot Schritt für Schritt ausgebaut. Es gibt drei Glampingzelte und einen Stellplatz für Gäste, die echtes argentinisches Flair erleben wollen.
Und kommt das Leben auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern dem Leben in Argentinien wirklich nahe?
In Argentinien bin ich auf einer großen Farm aufgewachsen, auf der wir Pferde und Rinder gezüchtet haben. Dort ist "auf dem Land leben" wirklich etwas anderes als in Deutschland und bedeutet oft, völlig isoliert von der Zivilisation zu sein. Deshalb war es mir wichtig, dass meine Ranch hier in Mecklenburg-Vorpommern genauso abgeschieden und nur über eine kleine Straße erreichbar ist. Diese Ruhe und Abgeschiedenheit erinnert mich schon sehe an meine Heimat und gibt auch unseren Gästen die Möglichkeit, dem hektischen Alltag zu entfliehen und sich inmitten der Natur zu entspannen.
Etwas, was die Gäste neben der Location auch sehr schätzen und was zum argentinischen Spirit beiträgt, ist unsere große Offenheit. Auf der Ranch gibt es immer eine große Tafel, an der wir alle zusammen essen – das Team und ich – und Gäste sind herzlich eingeladen, sich uns anzuschließen. Hier wird man automatisch Teil des Teams. Es ist diese familiäre Atmosphäre, die diesen Ort zu einem macht, an dem sich jeder willkommen fühlt.
Apropos große Tafel zum gemeinsamen Essen: Welche Rolle spielt die kulinarische Tradition Argentiniens hier auf der Ranch? Gibt es bestimmte argentinische Gerichte oder Spezialitäten, die Gäste probieren können?
Kulinarik spielt hier wirklich eine große Rolle! Einmal in der Woche veranstalten wir zum Beispiel ein echtes Asado, also ein argentinisches BBQ. Wir grillen über einem großen Feuer, um das alle herumsitzen. Dabei servieren wir ausgezeichnetes Fleisch und eine Fülle von Gemüse – teilweise sogar aus unserem eigenen Garten. Es ist eine großartige Möglichkeit, die Aromen Argentiniens zu erleben. Auch guten Wein wissen wir hier sehr zu schätzen. Und natürlich gibt es viel Mate-Tee.
Übrigens spiele ich auch gerne Gitarre! Besonders während unserer Asado-Abende begleite ich die Atmosphäre oft mit folkloristischer Musik am Lagerfeuer. Wir spielen traditionelle Lieder und manchmal gibt es auch ein bisschen Tanz. Es macht die Abende hier auf der Ranch noch lebendiger!
Auf der Ranch bietet ihr Ausritte im Western-Stil an – kann hier jeder mitmachen oder braucht man Vorerfahrung?
Wenn man ein einigermaßen gutes Körpergefühl hat, klappt das Reiten bei uns auch ohne vorherige Erfahrung! In Argentinien gibt es generell keinen Reitunterricht. Wir reiten dort sehr intuitiv, ohne uns an Lehrbüchern zu orientieren. Das Reiten hat in Argentinien viel mit dem Leben auf dem Land und der engen Verbindung zur Natur zu tun. Genau dieses Erlebnis möchte ich auch auf unserer Ranch bieten.
Wir haben hier 10 Criollo-Pferde, die einerseits sehr entspannt und ausgeglichen sind, aber andererseits auch flott und wendig. Unsere Ausritte finden ausschließlich im Gelände statt, was auch für viele, die bereits reiten können, eine völlig neue Erfahrung ist. In Deutschland reitet man ja oft in Hallen oder abgesteckten Bereichen, während wir hier gerne die unberührte Natur erkunden. Unsere Pferde leben das ganze Jahr über draußen, weshalb sie sehr an das Gelände und das Leben im Freien gewöhnt sind. Wir begegnen hier oft Wildtieren, aber die Pferde bleiben unerschrocken.
Und wie lange ist man unterwegs bei so einem Ausritt?
Wir bieten kürzere Ausritte für ein paar Stunden an, aber auch Tagesausritte mit einer längeren Pause in einem Hofcafé. Im Sommer reiten wir oft zum Badesee. Im Western-Stil erkunden wir bei unseren Ausritten für alle Reitniveaus Wiesen, Felder und Wälder in fast unberührter Natur.
Ein lustiger Unterschied, der mir dabei immer wieder auffällt: Bei Ausritten in Deutschland reiten immer alle schnurgerade in einer Reihe. Ich wiederhole ständig, dass es bei mir durchaus willkommen ist, sich zu verteilen und nebeneinander zu reiten :) In Argentinien würde wohl kaum einer auf die Idee kommen, im weiten Gelände hintereinander zu reiten.
Welche Pläne hast du noch für die Ranch und euer Angebot hier?
Ich selber liebe es, unter freiem Himmel zu schlafen – und das möchte ich gerne mit unseren Gästen teilen. Deshalb können wir uns sehr gut vorstellen, im nächsten Jahr Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten, bei denen man wirklich im Freien unter dem atemberaubenden Sternenhimmel übernachten kann. Außerdem planen wir für diesen Winter den Bau einer Außensauna und eines Hot Tubs, um dem deutschen Winter ein wenig einzuheizen und unseren Gästen noch mehr Komfort zu bieten.
Ein weiteres, persönliches Highlight ist meine bevorstehende Reise nach Argentinien im Oktober. Gemeinsam mit Gästen, die diese einzigartige Erfahrung gebucht haben, werden wir einen fünftägigen Pferdetrail unternehmen und das "Gaucho-Life" erleben, das heißt, wir werden wie die argentinischen Cowboys leben: Rinder treiben, die unberührte Natur erkunden und entweder unter freiem Himmel oder in kleinen Hütten schlafen. Und natürlich wird auch guter Wein und gutes Essen ein Teil dieses Abenteuers sein! Das gehört bei uns immer dazu.
Fotos: privat, Julian Würzler